20130813

Rekonstruktionen: Einsatz für das bauliche Erbe

Der Zweite Weltkrieg und beispiellose Nachkriegs-Zerstörungen haben in Deutschland fragmentierte Stadtbilder hinterlassen. Es ist kritischen Architekturkennern wie Wolf Jobst Siedler und Rob Krier zu verdanken, dass Themen wie "kritische Rekonstruktion", "Stadtreparatur" und "Erhalt des historischen Bauerbes" in der Architekturdebatte etabliert werden konnten.

Die Sehnsucht nach der Schönheit der historischen Architektur gab es schon immer. In den letzten Jahren bildete sich in ganz Europa ein breites bürgerliches Fundament, das für den Erhalt historischer Städte eintritt. Die "Reko-Szene" in Deutschland besteht aus einem Kreis interessierter Architekturkenner, die sich theoretisch und praktisch mit der "Renaissance der Städte" auseinandersetzen und die "Rekonstruktion historischer Bauten" unterstützen. Aber Rekonstruktionen sind keine Mindermeinung: 80 % der Bundesbürger befürworten Rekonstruktionen, wie eine repräsentative Umfrage feststellte (s. dazu Baukulturbericht 2018/19).

Einen kurzen Überblick zum Thema bieten z. B. die Artikel von Andreas W. Voigt " Bürger sehnen sich nach der guten alten Stadt" aus der WAS vom 04.04.10 und "Moderne Sehnsucht nach gestern" aus der WAS vom 30.05.10.

Es gab nach dem Weltkrieg drei Rekowellen. Bedeutende Rekonstruktionen und historisierende Nachbauten gab und gibt es vor allem in:

Rekowelle I (nach Kriegsende)
Rekonstruktion der wichtigsten Sakralbauten und vieler Rathäuser und Schlösser (vor allem im Westteil). Altstadtrekos z. B. in Münster, München und Köln. Viele alte Kaufhäuser und Handelshäuser werden, bis auf Ausnahmen (1963 Wiedererrichtung 4711-Haus in Köln, Instandsetzung Dallmayr-Haus in München), nicht wieder aufgebaut. Bedeutende Bauten wie das Albrecht-Dürer-Haus (Nürnberg) und der Römer, die Paulskirche sowie das Goethe-Haus (Frankfurt am Main) wurden wieder aufgebaut.

Rekowelle II (achtziger Jahre, vor der Wiedervereinigung)
- Berlin, Nikolaiviertel (1987,ca. 2.000 Einw., 33 Geschäfte, 22 Restos, 50.000 qm)
- Berlin, Fellnerhaus von Schinkel (1988 kritische Reko in Feilnerstr. 9-10 von Rob Krier)
Dresden, Semperoper (1977-85) und Beginn Wiederaufbau Residenzschloss (ab ca. 1986)
Hildesheim, Knochenhaueramtshaus und Wedekindhaus (1986)
Leibnizhaus in Hannover (1983)
- Frankfurt am Main, Ostzeile Römerberg (1981-1986, Fachwerkbauten u.a. Eckhaus großer Engel, 17. Jh. erste Bank Frankfurts) und Alte Oper (1981)
- Darmstadt, der Alte Pädagog - ehem. Lateinschule (1984) und die Kriegsruine des großen Haus des Theaters  (1986) werden wieder aufgebaut
- Mainz, Haus zum Stein (1981-83)
- Nürnberg, Rathaussaal (Reko 1982-85)
- Freiburg, Deutschordenskommende (Reko 1986 Fassade unter Verwendung Originalteile)

Rekowelle III (nach der Wiedervereinigung)
- Lübeck: Neues Wohnen im Gründungsviertel (39 historisierende Parzellen 2021)
- Anklam: Abriss Plattenbau am Markt und Bau historisierender Bauten seit 2014
- Dresden, Frauenkirche (1994-2005 fertiggestellt), Neumarkt (8 Quartiere mit 100 zu bebauenden Parzellen - davon 60 Leitbauten und rekonstuierende Fassaden, vieles schon fertig gebaut). Orientiert hat sich der Wiederaufbau in Dresden an etwa zehn Leitbauten, die sich an den historischen Grundrissen ausrichteten. Dazu kamen ca. 50 Gebäuden mit an historischen Vorlagen orientierten Leitfassaden. Dazu kam etwa die gleiche Anzahl an weiteren Gebäuden die sich an diesen Vorbildern anpassten. Weitere Rekoprojekte: Kurländer Palais (2007), Luckner-Schloss Reko in Dresden-Altfranken geplant.
- Berlin, Stadtschloss (Rekonstruktion 2013 Grundsteinlegung, Eröffnung 2020. 
Das Humboldt Forum knüpft auch an die Geschichte des Schlosses als Kultur- und Wissenschaftszentrum nach der Revolution von 1918 an. In der Weimarer Republik war das Schloss sogar das meistbesuchte Museum Berlins.Alte Kommandatur (2003), Hotel Adlon (1997).
Weimar die Häuserzeile an der Nordseite des Marktes
- Demmin das Rathaus (1997-98)
- Sterntor in Magdeburg (2017)
- das Bolfrashaus am Markt in Frankfurt (Oder)
das Kernsche Haus in Pirna
- in Wismar das historische Reuterhaus
- in Erfurt das Collegium Maius
- Braunschweig, Schlossfassade (650 Altsteine wurden u.a. wieder verbaut, heute 
haben wie schon in den 1920er und 1930er Jahren die Stadtbibliothek Braunschweig und das Stadtarchiv Braunschweig sowie die Kulturverwaltung und das Kulturinstitut sowie das Schlossmuseum dort ihren Sitz. Zudem ist ein Einkaufscenter heute im Schloss zu finden. Die Rekonstruktion wurde fertiggestellt 2007),         Alte Waage Braunschweig (1994, Spolien verwendet),
- Hildesheim, Umgestülpter Zuckerhut (2010)
- Hannover, Schloss Herrenhausen (Rekonstruktion fertiggestellt 2013).
- Potsdam: Matrosenstation Kongsnæs (ab 2009), Villa Jacobs (2008), Stadtschloss (Rekonstruktion 2010-2014), Palais Barberini (Januar 2017 eröffnet), Randbebauung Alter Markt, Gebäude an der Alten Fahrt (in Bau), Wiederaufbau Alte Post, Yorkstr./Ecke Friedrich-Ebert-Str. (wohl ab 2015), Kellertorwache (2017) Wiederaufbau Turm Garnisonskirche (2020?), weitere Rekonstruktionen lt. Leitbaukonzept sind zu erwarten. 
- Wesel 2011 die Fassade des spätgotisches Rathauses
- Duisburg: Mercatorquartier "Neue Altstadt" (Baubeginn 2017 ?) - Rekonstuktion Mercatorhaus geplant
- Essen: "Brückenhäusschen" Brückenkopf, Reko (2007) eines der Eingangshäuser (im Krieg zerstört) der Gartenstadt Margarethenhöhe

KönigswinterSchloss Drachenburg Reko des verfallenen Ensembles ca. 1990-2000
- in Koblenz das Reiterstandbild (1993) am Deutschen Eck und der Weinbrunnen (2013) im Weindorf
- in Bendorf-Sayn das Schloss (2000)
- Markthäuser Mainz (1991)
Kassel das Haus "Marställer Platz 1", 
- Frankfurt am Main, DomRömer-Projekt (2016 Stadthaus (ehem. Lage von 13 Altstadthäusern),  35 Altstadthäuser - davon 15 Nachbauten und 20 Neubauten, 2018 Eröffnung)
- Darmstadt: Schweifgiebelhaus (2013), Ludwigstempel (2023)
- Aschaffenburg: Löwenapotheke (1995)
- das Pellerhaus (bisher Innenhof) in Nürnberg (Vorderhaus evtl. geplant)
- Thomas-Mann-Haus von 1914, München, Reko 2006

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- Für Rekonstruktionen gibt es gute Argumente. Eine gute Übersicht zu Rekonstruktionen bietet der folgende Artikel der Welt: http://www.welt.de/debatte/kommentare/article156134136/Harte-Zeiten-fuer-Anhaenger-moderner-Architektur.html    
- Link zu Städten mit Rekonstruktionen in Europa. Übersichtsartikel Rekonstruktionen. Rekos in Deutschland Liste, Übersicht, Hessen
- Linktipp zu Foren für historische Stadtbildkultur und zu Rekonstruktionen: http://www.stadtbild-deutschland.de Der führende Verein für engagierte Bürger für traditionelle Architektur ist Stadtbild Deutschland e.V. Die Orts- und Regionalverbände von Stadtbild Deutschland sind hier zu finden.
- Eine große Gemeinschaft engagierter Bürger für schöne, lebenswerte Städte bildet die Architekturrebellion. Die einzelnen Gruppen von Architekturrebellion sind hier zu finden. Filme und interessante Hintergründe zur schönen Architektur bietet die internationale Site The Aesthetic City. Eine weitere internationale Organisation die sich für Schönheit in der Architektur einsetzt ist Intbau.

20130812

Wiederaufbauinitiativen und geplante Rekonstruktionen in Deutschland (1.7)

Schöne Bauten in Deutschland
Trotz der apokalyptischen Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges mussten alleine in Berlin etwa 23 % der nach dem Krieg noch vorhandenn Bausubstanz hässlich-modernen Nachkriegs-Bauten weichen. Zudem wurden alleine in Berlin-Kreuzberg 1.400 Bauten nach dem Krieg im Zerstörungswahn "entstuckt". Die "Phalanx" der Architekten sprach sich desweiteren nach dem Krieg weitgehend gegen Rekonstruktionen aus. So sind etwa 66 % der heutigen Architektur in Deutschland erst nach dem Krieg entstanden (vgl. Ricky Burdett "The endless City") - also von einer einzigen Generation geschaffen - ein einmaliger Faktum in der Geschichte. Heute fordern immer mehr Menschen ein Umdenken in der Stadtgestaltung und die Sehnsucht der Bürger nach einer identitätsstiftenden, historisch gewachsenen Architektur ist größer denn je. Der Druck auf die Gestalter der modernen Formensprache hin zu einer menschengerechteren Architektur wächst von Jahr zu Jahr.

Die ersten Zweifel an der modernen Stadtplanung wurden schon in den 60iger Jahren gehegt. In dieser Zeit begann ein unvergleichlicher Abrisswahnsinn in Deutschland. Alles was Alt war sollte weg und dem neuen Zeitgeist Platz machen. Erst die Ölkrise 1973 führte zu einem ersten Umdenken. Einige schon geplante Autoschneisen, mitten durch gewachsene Altstadt- und Gründerzeitquartierte, wurden nicht mehr umgesetzt. Doch die meisten Städte, ob kriegszerstört oder nicht, waren zu dieser Zeit bereits radikal im Sinne der autogerechten, funktionalen Stadt universell hässlich umgestaltet. Heute wird versucht, viele der zuvor gemachten Stadtplanungsfehler wieder zu beseitigen. Es gibt heute kaum noch Vordenker, die den propagierten Stadtmodellen der Charta von Athen mit ihrer funktionalen Stadt nachtrauern. Das revolutionäre Manifest von Athen wurde zur Erfolgsgeschichte und bestimmte, bis in die jüngste Zeit, die Stadtplanung in unseren Städten. Doch nun ist alles im Umbruch. Wir erleben gerade eine aufkommende Transformation der Städte: Sozial und funktional gemischt, menschengerecht und ökologisch sowie digital soll diese sein. Schlimmer noch für die Anhänger der Moderne: Die Menschen sehnen sich nach der guten, alten Stadt. Während die Nachkriegsbauten abgerissen werden, bleiben die altehrwürdigen Bauten aus der Kaiserzeit stehen. Die Quartiere aus der Gründerzeit bieten alles was Menschen glücklich macht: Hier pulsiert das Leben und die hohe Qualität und Beliebtheit der Altbauten zeigt was Nachhaltigkeit wirklich bedeutet. Dort wo Kriegswunden zu offensichtlich sind, wird sogar rekonstruiert. Niemand hätte sich nach dem Krieg vorstellen können, dass 70 Jahre später Bauten aus der Zeit des Historismus rekonstruiert werden.

Die moderne Architektur ist in der Krise. Auch die „Errungenschaften“ aus der verkehrsgerechten Stadt mit ihren getrennten Nutzungsebenen werden zunehmend abgebrochen. Riesige Betonungetüme für Fußgängerüberführungen und ausladende Betonauffahrten für die Autoschneisen der Nachkriegszeit werden unter dem Lärm der Presslufthämmer für immer zermalmt. Alle Ideen der verkehrsgerechten, funktionalen Stadt wurden schon vor hundert Jahren mit dem Aufkommen der Moderne propagiert. Die Moderne ist also selber schon in die Jahre gekommen. Doch nun hat die Nachkriegsmoderne in der Stadt ausgedient. Der enorme Zuzug in die Städte führt zu einem gewaltigen Stadtumbau. Locker bebaute Siedlungen mit Vorstadtcharakter mitten im Innenstadtbereich kann sich keine Stadt mehr leisten. Die niedrigen Zeilenbauten mit riesigen Abstandsgrün zu den überdimensionierten Straßenräumen, füllten nach dem Krieg die riesigen Brachflächen der kriegszerstörten Städte. Doch nun ist wieder Dichte gefragt. Auch die funktionale Stadt, bei der Wohnen, Arbeiten und Freizeit in getrennten Stadträumen stattfinden sollten, ist überkommen. Lebendige, ökologisch vernetzte Städte sind nur in funktional gemischten Städten zu erreichen. Im Zeichen der Klimaschutz bedingten Verkehrswende werden immer mehr innerstädtische Autoschneisen zurückgebaut. Auch die funktional getrennten Innenstädte, die immer mehr in eine Krise geraten, werden nun wieder mit einer gemischten Nutzung reaktiviert. 

Doch auch wenn die Modelle der Moderne mehr und mehr ausgedient haben, werden sich die Städte nur langsam verändern. Zu präsent sind die Bauten der Nachkriegszeit. Und noch entsteht unter dem schnelllebigen Renditedruck einiges, was sich nicht großartig von der bisherigen, monotonen Moderne unterscheidet. Immer noch wird gleichförmig gebaut und von sozialer und funktionaler Mischung kann oftmals keine Rede sein. Die wenigen Rekonstruktionsplanungen sind umso wichtiger, denn hier lässt sich symbolhaft die Schönheit der Städte ablesen.

Wiederaufbauinitiativen und Rekonstruktionspläne gibt es u.a. in 
- Berlin (Bauakademie)
- Berlin (Denkmalskirche/Dom)
- Neustrelitz (Schloss, Turm wird wieder aufgebaut)
- Halle (Altes Rathaus)
- Magdeburg (Prämonstratenserberg)
- Hamburg (Synagoge am Bornplatz)
- Gronau (Altes Rathaus)
- Dortmund (Altes Rathaus) und Essen (Altes Rathaus)
- Duisburg (neues Stadtquartier mit Reko Mercatorhaus und Ott-Vogel-Haus geplant)
- Frankfurt am Main (Alte Börse, Rathaustürme Langer Franz u. kleiner Cohn, Rothschildpalais, Altes Schauspielhaus)
- Griesheim (Altes Rathaus).

Darüber hinaus gibt es viele engagierte Architekten und Investoren (Christoph Mäckler/Frankfurt am Main, Ralf Schmitz Immobilien/Düsseldorf) die sich für traditionelle Bauformen einsetzen.

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Bauerbe: Rekonstruktionswünsche in Deutschland * (1.7)

- Marienkirche, Wismar
- Alte Schule, Wismar
- Residenzschloss, Neustrelitz (zumindest Turm wird wohl wieder aufgebaut)
- Schloss, Dargun (Es gibt eine Initiative)
- Denkmalskirche am Dom, Berlin
- Bauakademie, Berlin
- Schloss Monbijou, Berlin
- Garnisonskirche, Potsdam
- Schloss Guteborn, Guteborn/Brandenburg (Schloss 1948 gesprengt)
- Schloss, Meuselwitz
- Schloss, Zerbst (Initiative Aufbau der jetzigen Ruine)

- Deutrichs Hof (hier sollen sogar noch Fassadenteile vorhanden sein), Leipzig
- Altes Rathaus, Halle

- St. Nikolai (s. Bild Turm), Hamburg
-Synagoge am Bornplatz, Hamburg
- Kestner-Museum, Hannover (Betonüberbau von 1961, darunter ist noch historische Fassade uvm. von 1889 erhalten)
- Ansgari-Kirche, Bremen
- Kornhaus, Bremen
- Altes Rathaus, Essen
- Altes Rathaus, Dortmund
- Düsselschlösschen, Düsseldorf

- Salzhaus, Frankfurt am Main (originale Fassadenteile sind in städtischen Magazinen eingelagert)
- Mannheim, Altes Kaufhaus am Paradeplatz, der barocke Prachtbau, im 2. Weltkrieg teils zerstört, wurde jahrelang als Rathaus genutzt (1967 Abbruch), 1991 Bau des Stadthauses (soll etvl. abgerissen werden. 

- Pellerhaus Südfassade, Nürnberg
- Toplerhaus, Nürnberg

- Rathaus und Marktplatz, Stuttgart
- Kirchturmspitze Johanneskirche, Stuttgart

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20130711

Altstadthäuser in Deutschland: Bestand vor und nach dem Zweiten Weltkrieg (1.3)

Schleswig Holstein
- Lübeck: ca. 1.300 hist. Bauwerke auf Altstadtinsel im Bestand.
Weitere Altstadt: Flensburg, Schleswig. Kiel zerstört.

Hamburg Altstadt vor u. während Krieg zerstört

Bremen
Altstadt fast kpl. zerstört - Restaltstadt im Schnoorviertel und Böttcherstraße

Niedersachsen
Hildesheim: 1.500 (Fachwerk-)häuser zerstört - 200 blieben übrig (andere Quellen sprechen von 800 Fachwerkhäusern zur Jahrhundertwende).
Goslar: 1.500 Fachwerkhäuser im Bestand.
Lüneburg: 1.300 Backsteinhäuser im Bestand.
Braunschweig: von 800 Altstadt-Fachwerkhäusern blieben 50 übrig.
Hannov. Münden: über 700 historische Altstadhäuser im Zentrum im Bestand.
Wolfenbüttel: 600 Fachwerkhäuser im Bestand.
- Helmstedt: über 400 Professoren- und Fachwerkhäuser
Duderstadt: 600 Fachwerk-/Bürgerhäuser im Bestand.
Celle: 450 Fachwerkhäuser unter Denkmalschutz.
Einbeck: 150 spätmittelalterliche Fachwerkhäuser im Bestand.
- Göttingen: 179 Einzeldenkmäler + 819 Gebäude Baukulturensemble Innenstadt
Hannover: ca. 40 Altstadthäuser erhalten - teilw. zur Traditionsinseln Knochenhauer- Burgstr. versetzt. 
Sonstige Altstädte u.a.: OldenburgOsnabrück

Berlin Altstadt zerstört (Wiederaufbau lediglich Nikolaiviertel)

Brandenburg
- Potsdam: 134 Ziegelstein-Bauten im holländischen Viertel im Bestand.
Weitere Altstädte: Brandenburg/Havel, Cottbus.
Frankfurt/Oder weitgehend zerstört.

Mecklenburg-Vorpommern
- Wismar: Flächendenkmal Altstadt mit etwa 1.500 Gebäuden im Bestand.
- Stralsund: Flächendenkmal mit ca. 1.000 Altstadt-Gebäuden im Bestand.
Weitere Altstädte u.a.: Schwerin, Rostock, Waren (Müritz)

Sachsen-Anhalt
- Wernigerode: Denkmalzone Altstadt ca. 620 Fachwerkhäuser im Bestand.
- Halberstadt: von 1.600 Fachwerkhäusern 600 im 2. Weltkrieg und 600 durch Abrisse bis 1990 zerstört. 447 Fachwerkhäuser übrig geblieben.
- Qedlinburg: 1.300 Fachwerkhäuser im Bestand.
- Stolberg: 400 Fachwerkhäuser
Weitere Altstädte u.a.: Halle, Osterwieck Zerstörte Altstädte: Magdeburg, Dessau

Sachsen
Altstädte: Leipzig, Zwickau, 
- Görlitz: über 4.000 Baudenkmäler
 Zerstörte Altstädte: Dresden (teilweiser Wiederaufbau), Chemnitz, Plauen

Thüringen
Altstädte: Erfurt, Weimar, Jena, Gera, Gotha

Nordrhein-Westfalen
- Detmold: 600 Baudenkmäler in der historischen Altstadt.
Teilweise Altstadt: AachenKöln, Düsseldorf, NeussBonn, Münster, Minden, HerfordBielefeld, Paderborn, Gütersloh, Wuppertal, Siegen, Lüdenscheid, Recklinghausen, Menden

Rheinland-Pfalz
Teilweise erhaltene Altstädte in Koblenz, Trier, Kaiserslautern, LandauMainz, Speyer, Worms, Landau, Neustadt an der Weinstraße, Andernach, Cochem. Zerstört: Zweibrücken, Nassau, Zweibrücken, Mayen

Saarland
Saarbrücken Teilweise erhaltene Altstadt

Hessen
- Frankfurt/M.: 1.700 Fachwerkhäuser - eines im 2. Weltkrieg unzerstört. Rekonstruktionen am Römer (1981-83 Ostzeile) und beim DomRömer-Projekt etwa 15 Rekonstruktionen (2012-17). Frankfurt-Höchst ca. 400 Altstadthäuser.
- Kassel: 870 Altstadthäuser - alle im 2. Weltkrieg zerstört.
- Darmstadt: 457 Altstadthäuser zerstört - nur 2 Häuser waren unzerstört.
- Hanau: 450 Altstadthäuser zerstört, 7 unzerstört.
- Alsfeld: mind. 400 Fachwerkhäuser im Bestand (278 Baudenkmäler).
- Limburg: 360 schmale, dreigeschossige Fachwerkhäuser im Bestand.
- Marburg: Über 700 historische Bauten u.a. Fachwerk
Weitere Fachwerk-Altstädte u.a. in: Fulda, Wetzlar, Wiesbaden. Büdingen, Gelnhausen, Homberg (Efze), Fritzlar, Frankenberg, Eschwege, Melsungen, Heppenheim, Bensheim
Zerstörte Altstadt: Gießen.

Baden-Württemberg
Altstädte u.a. in Freiburg, Ulm, Karlsruhe "Dörfle", Ludwigsburg
- Tübingen
- Esslingen: über 800 Baudenkmäler, mittelalterl. Altstadt mit ältester Häuserzeile Deutschlands.
- Konstanz: ca. 1.300 Kulturdenkmäler (davon Altstadt 5 Hektar/ca. 600 Einzeldenkmäler)
- Ravensburg: ca. 380 Baudenkmäler
- Stuttgart: mittelalterliche Altstadt im 2. Weltkrieg zerstört. Kleiner Bestand Altstadt rund um Geißstraße (neu errichtetes Altstadtquartier im Zuge der Altstadtsanierung 1906-1909)
Heidelberg (Barock in Stein statt Fachwerk wieder aufgebaut nach 1698), Reutlingen, Calw, Schwäbisch-Hall
Zerstörte Altstädte in Pforzheim, Heilbronn.

Bayern
- Nürnberg: hatte ca. 2.500 Baudenkmäler in der Altstadt - die meisten im 2. Weltkrieg zerstört.
- Regensburg: 1.400 altstädtische Baudenkmäler.
- Bamberg: nahezu unzerstört - über 1.200 Baudenkmäler in der Kernstadt im aktuellen Bestand.
- Dinkelsbühl: spätmittelalt. Stadtbild, ca. 620 Baudenkmäler
Weitere Altstädte u.a. in Aschaffenburg, Würzburg, Fürth, ErlangenRothenburgMünchen, Augsburg, Landshut, MemmingenIngolstadtKempten, Passau, Coburg, Amberg, Hof.

siehe auch: In der modernen Stadt etwas Altes sehen.
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z.Vgl. Prag 627 Wohnhäuser in der Altstadt (Baudenkmäler 1. Klasse 1.423, Ensembleschutz 3.673 Gebäude), Maastricht (NL) 1.660 Baudenkmäler, Haarlem (NL) über 4.000 Baudenkmäler (davon ca. 1.000 im Zentrum), Amsterdam (NL) ca. 7.000 Baudenkmäler, Rouen 2.000 Fachwerkhäuser, Riga (750 Jugendstilhäuser).
Elblag (Elbing): mittelalterliche Altstadt ca. 400 Häuser ? (6 Häuser nach 2. Weltkrieg erhalten).

Jeweils Schätzangaben - ohne Gewähr.

20120612

Die Schrumpfung des Altbaubestands in Deutschland (1.1)

Die Zerstörungswellen der Bestandsbauten (Baujahr bis 1920) in den Städten:

1939-1945 "Altstadtsanierungen" u. Errichtung von NS-Bauten im 3. Reich:
Verlust <1 % 

1939-1945 Luftkrieg, Bombardements und Angriffe auf Städte:
Verlust 35 %

1945 Zerstörungen durch Nachkriegplünderungen, Vandalismus, Brandstiftungen, Materialklau und durch Beschlangnahmungen: Verlust 1 %

1945-1950 Abräumungen auch von im Krieg leichtbeschädigten Bauten:
Verlust 3-5 %

1951-1959 Abrisse kriegsunversehrten Bauten f. "funktionsgerechten Wiederaufbau", Entstuckungen etc.: Verlust  3%

1960-1969 Abrisse von Altbauten für die "Autogerechte Stadt: Verlust 13 %

1970-1979 Stadtzerstörung für den "Betonbrutalismus" der 70iger Jahre:
Verlust 15 %

Desweiteren vermehrte Umbauten z.B. Dachaufbauten für zunehmende Eigentumswohnungen

1980-1989 Strukturwandel z.B. Abrisse innerstädtischer Fabrikbauten: Verlust 2 %

1990-1999 Abrisse Einzelbauten, Aufweichung Denkmalschutzcharakter: Verlust <1 %

ab 2000-  Abrisse wg. verstärkter Blockbebauung mit Investorenarchitektur: Verlust <1%

Gesamtverlust Altbauten in Deutschland bis heute: ca. 75 %  >>> Damit gibt es in Deutschland noch etwa 5 Mio. Altbauten.

Neben den Abrissen kommen noch erhebliche Beschädigungen an Altbauten z.B. durch unpassende Dachaufbauten, Türen u. Fenster, Wärmedämmung und verstärkte Graffittischäden hinzu.

20110117

Die schlimmsten Bausünden und Abrisse der Nachkriegszeit (1.5)

Der Luftkrieg, schätzten Experten, hat in England ca. 48.000 Menschen und in Deutschland über 600.000 Menschen - meist Zivilisten (darunter ca. 80.000 Kinder) - das Leben gekostet, 780.000 verwundet und 7,5 Millionen Obdachlose zurückgelassen. Unter den Opfern waren viele Zwangsarbeiter, die während der Bombardierung nicht in die Schutzbunker durften.

Deutschlands Städte wurde im 2. Weltkrieg "overbombed" - z.B. alleine auf die Stadt Koblenz fielen 50.000 Bomben. In Hamburg warfen alliierte Bomber, bei mehr als 200 Angriffen im Zweiten Weltkrieg, rund 107.000 Spreng-​, 300.000 Phosphor- und unvorstellbare drei Millionen Brandbomben ab. Im zerstörten Berlin fielen 15 % der gesamten Trümmermenge Deutschlands an - s. Link "Luise Berlin". Insgesamt wurden von 77 Städten 66 zerstört (s. auch Wikipedia-Artikel "Luftkrieg im Zweiten Weltkrieg" u. interaktive Karte auf SPON), Erlangen, Göttingen, Halle, Heidelberg, Oldenburg, Regensburg und Wiesbaden wurden vergleichsweise wenig bombardiert. Mehr als dreiviertel ihrer Bausubstanz büßten Städte wie Koblenz, Kassel, Mainz, Paderborn, Pforzheim, Heidelberg, Siegen und Würzburg ein, deren Innenstädte weitestgehend pulverisiert wurden. Das ehemalige Königsberg wurde quasi im Krieg und nach der Eroberung ausgelöscht. Hinzu kamen Brandschatzungen in den Nachkriegswirren - so gingen insbesondere in den neuen Bundesländern in den Residenzstädten einige Adels- und Bürgerhäuser, Theater und Schlösser in Flammen auf.

Trotz der gewaltigen Kriegszerstörungen, kam es in Deutschland - insbesondere in den 60-iger und 70-iger Jahren zu einer zweiten Stadtzerstörung nach dem Krieg im Zuge modernistischer Stadtumbauten.  

Deutschlands schlimmste Nachkriegs-Abrisse und Zerstörungen:

- Berlin, Brunnenviertel (Kahlschlagsanierung, Massenabbrisse von ca. 1963-1979) im Wedding (Brunnenstr./Gesundbrunnen) und Rollberg Neukölln
- Berlin, Quartier rund um die Andreasstraße / Frankfurter Allee, Kahlschlagsanierung, Nachkriegsabrisse für Plattenbauten
- Berlin, Kreuzberg, Kahlschlagsanierung 60iger und 70iger Jahre
- Berlin, großflächige Entstuckungen Gründerzeitbauten in Kreuzberg etc. in den 50iger/60iger Jahren 
- Berlin, Anhalter Bahnhof - Abriss des kriegsbeschädigten Bahnhof 1959 
- Berlin, Stadtschloss (Abriss 1950, Wiederaufbau 2013-2020)
- Berlin, Börse an der Friedrichsbrücke (Abriss der Ruine 1957/58, Neubauten ab 2001)
- Berlin, Denkmalskirche am Berliner Dom (Abriss 1975)
- Berlin, Fischerinsel historische Häuser im "Fischerkiez" (Abriss 1965-73)
- Berlin, Petrikirche Neogot. Kirche von 1853 (Abriss beschädigte Kirche 1960-64 wg. Straßenbau)
- Berlin, Völkerkundemuseum (Abriss des kriegsbeschädigten Baus ca. 1958 für einen Parkplatz)
- Berlin, Kaufhaus Wertheim Leipziger Platz (Abriss des wiederaufbaufähigen Baus 1955-56)
- Berlin, Schloss Monbijou (Abriss der gut erhaltenen Ruine nach Krieg)
- Potsdam, Stadtschloss (Abriss 1959/60, Wiederaufbau 2014)
- Potsdam, Garnisonkirche (Abriss Barock-Ruine 1968 für Rechenzentrum. Wiederaufbau Turm in Bau)

Bernau, Greifswald, Gotha: DDR-Teststädte zur Umgestaltung der historischen Stadtkerne (Massenabrisse dafür Plattenbauten)
- Bernau (Kahlschlagsanierung: 80iger Jahre großflächiger Abriss von 1.500-2.000 Altbauten u.a. Fachwerk - dafür Plattenbaubauten)
- Greifswald, Hafenstraße Abriss mittelalterliche Bauten, 80iger-Jahre. Insgesamt etwa Abriss von 500 alten Gebäuden.
- Waren (Müritz) Abrisse Altstadt für Verkehrsprojekte in den 70iger Jahren
- Gotha: 80iger Jahre, Massenabrisse u.a. westliche Altstadt (einschließlich Bürgeraue)
- Suhl, Altstadt weitgehender Abriss ab 1968
- Nordhausen, Altbau "Altendorf 30" -1850 im Palazzo-Stil errichtet (2014 Abriss, 2018 Neubau)
- Merseburg, südl. Altstadt ab 1968 abgerissen (s. Umbau sozialistische Stadt)
- Halberstadt, Altstadt Verfall u. Massenabrisse in DDR in der kriegsgezeichneten Fachwerkstadt
- Magdeburg, Ulrichkirche (Abriss 1956, Reko-Initiative 2011 gescheitert)
- Magdeburg, Haus Fritze, Sternstr. 2 (denkmalgesch. Gründerzeitbau, Abriss 2014)
- Magdeburg, Stadttheater (Abriss der Ruine 1958)
- Dessau, Muldvorstadt (Abrisse u.a. 70iger Jahre)
- Halle, Altes Rathaus (Abriss des kriegsbeschädigten Bau 1948), Bau Hochstraße u. Riebeckplatz
- Leipzig, Barockbau Deutrichs Hof (Abriss 1968 - heute u.a. Parkplatz, neben Riquethaus)
- Leipzig, Paulinerkirche "Unikirche" (Abriss 1968 - heute mod. Paulinum-Aula u. Unikirche St. Paul)
- Leipzig, Neues Gewandhaus "Gewandhaus 2" (Abriss notgesicherte Ruine 1968)
- Dresden, Palasthotel Weber am Postplatz (Abriss der Ruine unter Bürgerprotesten 1968)
- Dresden, Kaiserpalast am Pirnaischen Platz (Abriss der Ruine 1951)
- Erfurt, Juri-Gagarin-Ring
- Jena, rund um Eichplatz (Abriss historische Bebauung 1968/69 u.a. für Uni-Turm)
- Meuselwitz, Schloss (Abriss kriegsbeschädigtes Schloss 1947-50)
- Merseburg, südl. Altstadt (großfl. Abrisse ab 1968)
- Görlitz, Wilhelm-Theater (Abriss 2001 zusammen mit Villen am Postplatz, dafür EKZ)

- Schleswig, Hotel Hamburg (2015 abgerissen)
- Hamburg, Gängeviertel Ulricusstraße (Kahlschlagsanierung: Abriss von über 30 Fachwerkhäusern 1958)
- Hamburg, Gängeviertel Caffamacherreiche (größte Teil nach Krieg abgerissen - dafür u.a. Unilever-Hochhaus 1958). Die restlichen Teile des Gängeviertels konnten nach Bürgerprotesten 2009 gerettet werden.
- Hamburg, Dovenhof - Hamburgs 1. Kontorhaus von 1885/86 (Abriss 1967 für ein Verlagshaus)
- Hamburg, Altona (Kahlschlagsanierung Abriss Altbauten für Neubausiedlung "Neu-Altona" von Ernst May 1959-60)
- Hamburg, Esplanade (Massenabrisse denkmalgeschützter Bauten Unter den Linden in den 50iger/60iger Jahren). Dafür Bau von Punkthochhäusern.
- Hamburg, St. Pauli, Nachkriegsabrisse rund um Hein-Köllisch-Platz
- Hamburg: Gründerzeitbau Johannisbollwerk 10 an Promenade nähe Landungsbrücken (Abriss 2021)

- Lübeck, EKZ Königspassage (Abriss von 14 mittelalterlichen Bauten Anfang der 90iger Jahre)
- Braunschweig, Schloss (Abriss 1960, 2007 Fassade rekonstruiert)
- Göttingen, universitärer Reitstall (Flächensanierung sowie 1968 Abriss für Rathaus, das dann an anderer Stelle errichtet wurde)
- Wilhelmshaven, Südzentrale (Abriss des denkmalgesch. Jugendstilbaus 2015)
- Hameln (Flächsensanierung 70iger Jahre, Massenabrisse Altstadt)
- Oldenburg Abrisse Ritterstraße / Hitzegrad für Kaufhaus in den 60iger Jahren

Hannover: Abrisse und Umgestaltung in autogerechte Stadt durch Stadtplaner Rudolf Hillebrecht
- Hannover, Flusswasserkunst (Abriss 1963, es gibt Verein der sich für Wiederaufbau einsetzt)
- Hannover, Friederikenschlösschen (Abriss 1966 für nicht verwirklichten Neubau der Staatskanzlei)
- Hannover, Kestner-Museum, 1961 Betonüberbau des historischen Neorenaissance-Baus von 1889
- Hannover, Schiffgraben 4, Neugotik 1890, (Abriss 1969, dafür Versicherungsbau)
- Hannover, Villa Willmer, prächtige Villa "Tränenburg", 1886 (Abriss 1971, dafür Parkplatz)

- Celle, Karstadt (Abriss Bestandsgebäude von 1929 und weitere Altbauten für Neubau Karstadt 1964)
- Lüneburg, Massenabrisse (170 Bauten) für geplanten Straßenneubau in den 70iger Jahren. Straßenprojekt wurde nach Protesten dann nicht ausgeführt.

- Bremen, St. Katharinen-Kloster (Abriss des Chor 1960 für Straßenverbreiterung Schüsselkorb, Reste des Klosters in Katharinen-Hochgarage und Passage überbaut)
- Bremen, Norddeutscher Lloyd Verwaltungsgebäude, Papenstraße (Abriss der Reste des 1910 erbauten, imposanten Neorenaissance-Bau 1969 für Horten-Kaufhaus)
- Bremen, erhaltener Turm der St. Wilhadi-Kirche (Abriss 1964)

- Gütersloh, Altes Rathaus (Abriss 1971, neogotisch 1864 erbaut)
- Rheda-Wiedenbrück (Flächenabrisse, Bau Betonklotz Rathaus 70iger in Altstadt)
- Minden, Flächensanierung und unmaßstäbliches Rathaus in Altstadt in 70iger Jahren
- Gelsenkirchen, Altes Rathaus, 1897 erbaut, Abriss Rathaus 1970
- Dortmund, Altes Rathaus (Abriss 1955 - war das älteste steinernde Rathaus des deutsch. Sprachraums nördlich der Alpen)
- Essen, altes Rathaus (Neugotischer Bau von 1885 - Abriss 1964/65 für Wertheim-Warenhaus das mittlerweile durch einen weiteren Neubau ersetzt wurde)
- Duisburg: Massenabrisse in Bruckhausen ab 2006. Zudem 2020 Abrisse in Börsenstraße 
- Herne, Hotel Schlenkhoff (Abriss des 1899 erbauten neobarocken Hotels 1962)

- Aachen, historisches Tietz-Kaufhaus und zahlreiche Bürgerhäuser (Abriss 1965)
- Düsseldorf, Düsselschlösschen Lokal, Wahrzeichen von 1901 am Rheinufer. Im Weltkrieg beschädigt. Abriss nach Kriegsende.
- Düsseldorf, Berger Allee Jugendstilbauten. Abriss von 5 Jugendstilbauten trotz Protesten 1979.
- Düsseldorf, Opernhaus (1954-56 Moderne Umgestaltung - Entfernung der hist. Fassade von 1875)
- Düsseldorf, Alter Zollhof (Abriss des 95 m langen Lagerhauses 1992, dafür Zollhof 1 von Gehry)
- Köln, Opernhaus (Abriss 1958, dafür Bau eines mod. Verwaltungsgebäudes Habsburgerring 9-13)
- Köln, Stollwerck-Fabrik (Abriss der meisten historischen Gebäude 1987)
- Köln, Empfangsgebäude Hauptbahnhof (Abriss 1955)
- Leverkusen, Altes Rathaus, Abriss 1971
- Bonn, Bahnhofsvorplatz (Abriss historische Gründerzeitbauten in den 70iger Jahren)
- Bonn, Villa Dahm (Abriss der denkmalgeschützen Villa 2006 für geplante Erweiterung WCCB
- Bonn, Haus des Bonner Bürgervereins, (Erbaut 1906 - Abriss 1969. Dafür 1972 Hotel Bristol)
- Neuwied, Schloss Monrepos (Geburtshaus von Elisabeth zu Wied - Königin von Rumänien. Niederlegung am 30. April 1969 durch die freiwillige Feuerwehr s. Videofilm) 
- Neuwied, Villa Neizert (Abriss 2002)

- Kassel, radikale Umsetzung autogerechte Stadt in der Nachkriegszeit
- Frankenberg, Abriss von Fachwerkbauten 1968 im Rahmen der Altstadtsanierung
- Marburg, Abriss Traubenapotheke 1965
- Fulda, neobarockes Reichspostamt von 1890 (Abriss 1972, dafür Fernmeldamt von Sepp Ruf)
- Wetzlar, Abriss Jugendstilbahnhof 1985
- Mainz, Breidenbacher Hof (Abriss der erhaltenen Fassade 1959 wegen einer Straßenverbreiterung)
- Mainz, Jugendstilgebäude "Millionenbau" Rheinallee/Kaiserstraße (bereits 1956 Entfernung des Jugenstilschmucks) s. früher 
- Mainz, "Rheinische Bierhalle" - Kopfbau am Bahnhofsplatz 2, Abriss für Neubau1969
Mainz, "Bischöfliches Palais", Abriss des kriegsbeschädigten Baus 1962 wegen eines Parkhauses
- Wiesbaden, Abrisse Villen in der Nachkriegszeit, Umgestaltungspläne Ernst May
- Wiesbaden, histor. Kaufhaus am Mauritiusplatz (Abriss 60iger Jahre für modernen Karstadtbau)
- Frankfurt am Main, Schumann-Theater (Abriss 1960)
- Frankfurt am Main, Fürstenhof Carlton-Hotel (Abriss 1976)
- Frankfurt am Main, Jugendstilfassade Schauspielhaus (Abriss 1960 für Neubau Schauspielhaus)
- Frankfurt am Main, Jügelhaus (eröffnet 1906, ab 2014 zerstörerischer Umbau des historischen Baus)
- Frankfurt am Main, denkmalgeschützter Altbau Allerheiligenstraße 20, Abriss 2024
- Darmstadt, Haus Christiansen (Mathildenhöhe), Abriss der Ruine (Umfassungsmauern bis 2. Stock) 1958

- Landau, Abriss Bauten am Hauptbahnhof 1964 für Kaufhaus (dieses wurde 2021 abgerissen)
- Mannheim, Altes Kaufhaus am Paradeplatz, der barocke Prachtbau, im 2. Weltkrieg teils zerstört, wurde jahrelang als Rathaus genutzt (1967 Abbruch), erst 1991 Bau des Stadthauses. Ein Reko-Bürgerentscheid scheiterte 1986. Das ursprünglich geplante Rathaushochhaus von Ostertag (der später sich für den Erhalt historischer Gebäude einsetzte) wurde dann in Kaiserslautern gebaut. Das Stadthaus von 1991 soll evtl. abgerissen werden (nicht sanierungsfähig)
- Heidelberg, Bismarckplatz (Horten) mehrere gründerzeitliche Gebäude, das Botanische Institut, das Hotel Reichspost und zwei Villen in den 60iger Jahren abgerissen. Südlich Abriss zoologisches Institut und Reichspostgebäude. Statt alter Bahnhofsbau Mengler-Hochhaus. Ein dutzend Altbauten für Kaufhausgebäude/Hauptstraße abgerissen.
- Karlsruhe: Flächensanierung mit Massenabrissen (60er/70iger Jahre) in Klein-Karlsruhe "Dörfle. 2/3 der historischen Bebauung war am Ende abgerissen.
- Sindelfingen, klotziger Rathausneubau 1967 mit einigen Abrissen in der Altstadt
- Stuttgart, Kaufhaus Schocken (Abriss 1960)
- Stuttgart, Landesbibliothek - Abriss teilzerstörtes Bibliotheksgebäude 1970. Dafür Neubau.
- Stuttgart, Kronprinzenpalais - Abbruch 1963
- Calw, EKZ (dafür Abriss Altstadtbauten)
- Waiblingen, Marktdreieick (1976 Mitten in Altstadt gebaut)
- Reutlingen, klotzartiges Rathaus (1966 Mitten in die Altstadt gebaut)
- Heilbronn, Altes Theater (Abriss 1970)
- Heilbronn, Villa Hauck von 1910 (Abriss für Bank-Erweiterungsbau 2011).
- Ulm, Deutschhaus (Abbruch erhaltene Außenmauern 1950)
- Singen, Central Hotel, Abriss 1966
- Freiburg, Rotteck-Gymnasium (Abriss 1972),  zudem Abrisse in der Altstadt für Schlossbergring
- Freiburg, 60iger Jahre - am Schwabentor werden acht alte Gebäude abgerissen
- Freiburg, Theater, Abriss Jugendstil-Schaugiebel 1962

- Würzburg, Buchnersches Palais erbaut 1877 (Abriss 1971)
- Fürth, Gänsberg Altstadt Kahlschlag-/Flächensanierung ab den 60iger Jahren. Kahlschlag St. Michael verhindert
- Erlangen, Rathausplatz - Bau Ensemble aus Rathaus, Stadthalle und anderen Bauten (1971)
- Bamberg, Flächensanierungen/Abrisse Altstadtquartiere 60iger Jahre
- Bayreuth, Abrisse in den 60iger und 70iger Jahren u.a. Abriss 1970 Geburtshaus Max Stirner aus 17. Jh.
- Regensburg, 1955-1995 Abrisse bei Altstadtsanierung
- Ingolstadt, Rathausbau (1960)
- München, Roman-Mayr-Haus Marienplatz (Abriss 1970 für Kaufhof-Neubau)
- München, Peterhof/Marienplatz mit Barockgiebel u. Eckhaus Uhrtürmchen (Abriss für "Neuer Peterhof" 1959)
- München, historische Bürgerhäuser Erhardtstraße an der Isar (Abriss 1975 für Neubau Europ. Patentamt 1979)
- München, Münchener Kindl-Keller (Deutschlands größter Saalbau) - Abriss Ende 60iger Jahre. Dafür Motorama Ladenstadt. 
--> zu München s. auch TZ-Artikel zu Bausünden.

Hier ist eine Gesamtübersicht zu dem Thema Zerstörung deutscher Städte zu finden. Weiteres siehe auch hier: Wikipedia Zerstört im 21. Jahrhundert

Alle Angaben ohne Gewähr.

Städtebauliche Moderne: Geschichte in Deutschland u. Literaturtipps (1/2)

1907-1933 Vom Werkbund zum Bauhaus und zum Neuen Bauen

Wann begann die architektonische Moderne in Deutschland? Ein Statement für die Moderne war sicherlich die Gründung des Deutschen Werkbundes 1907 u.a. durch Henry van de Velde. Nach dem 1. Weltkrieg 1914-18 verfestigte sich in den Jahren 1918-1933 in der Weimarer Republik das moderne Bauen mit dem Bauhaus (1919 von Walter Gropius gegründete Kunstschule in Weimar, 1925 Umzug nach Dessau) als experimentelle Lehrstätte und das Neue Frankfurt als erstes übergreifendes städtebauliches und soziales Projekt unter Ernst May. Die Bewegung des Bauhaus kann auch als Gegenpart zum damaligen Heimatschutzstil gesehen werden. Mit der Machtergreifung der Nazis 1933 war das Ende des Bauhaus in Deutschland besiegelt.


1933-1959 Die Charta von Athen und die Folgen
1812 schrieb der bekannte Architekt Friedrich Weinbrenner für das Land Baden die erste deutsche Denkmalschutzverordnung. 1898 propagierte der englische Hofjournalist Ebenezer Howard die "Garden Cities" - grüne Siedlungen am Stadtrand, die die enge und laute Stadt ablösen sollte. Auf dem IV. Kongress der CIAM (Internationaler Kongress für neues Bauen) 1933 in Athen wird Jahrzehnte später, die „Charta von Athen“ verabschiedet. Unter der Federführung von Le Corbusier wird damit die „funktionale Stadt“ als Leitbild für die moderne Stadtplanung erklärt. Nach den einschneidenden Ereignissen des Zweiten Weltkrieges werden diese Konzepte der „Charta von Athen“ zur Manifestierung eines neuen, modernen Zeitalters besonders in Deutschland von den Stadtplanern und Architekten aufgegriffen. 1944 verfassten Roland Rainer, Johannes Göderitz und Hubert Hoffmann „Die gegliederte und aufgelockerte Stadt“, das in einer neuen Buchfassung 1957 erschien. So entstanden im Zuge des Wiederaufbaus in den 50iger Jahren gegliederte und aufgelockerte Städte.

Statt eines Wiederaufbaues findet in den meisten Fällen ein Neuaufbau der Städte statt. Auf historische Grundrisse und deren Bauten wird dabei, bis auf  Ausnahmen z.B. in Bayern, in der Regel keine Rücksicht genommen: Selbst von Kriegsschäden unversehrte Stadtquartiere werden - bis auf vorbildlich wiederaufgebaute Sakralbauten - rigoros für die modernen Reißbrett-Planungen abgeräumt. So wurden z.B. 1958 im von Kriegsbrachen übersäten Köln - im Zuge moderner Neubaupläne - sogar die Reste des wiederaufbaufähigen Opernhauses beseitigt. In Berlin wurden 1957 zur IBA in Berlin die vorhandene Infrastruktur im Hansaviertel mit funktionalen Bauten für eine autogerechte Stadt überbaut und in Hamburg machte eines seiner letzten Gängeviertel in der Ulricusstraße platt. In Berlin, Potsdam und vielen weiteren Städten wurden zudem rigoros Stuckverzierungen an den Häusern abgeschlagen - ein Tribut an "die glatte Moderne" (s. dazu ein Artikel in Wikipedia zur "Entstuckung"). 1964 startete der Architekt Düttmann den Aufruf "Rettet den Stuck" in Berlin. Alte Gebäude hatten es nach dem Krieg schwer - selbst der Wiederaufbau des historischen Goethehauses in Frankfurt/Main musste regelrecht von Wiederaufbau-Befürwortern erkämpft werden, denn viele sahen in einer Rekonstruktion eine "Spurentilgung" des Dritten Reiches. Enteignungsgesetze und Wiederaufbaugesetze (Zusammenlegungen etc. - nur in Bayern fehlte ein solches Gesetz und kleinteilige Stadtparzellen konnten erhalten werden), Fehlplanungen und fehlender Sinn für den Denkmalschutz führten zu einem modernistisch geprägten Neuaufbau der deutschen Innenstädte.

Nicht besser lief es in der früheren Ostzone ab: Hier verschwanden - wie in Jena - ganze Alstadtquartiere für sozialistische Prunkbauten und Aufmarschplätze. Adelssitze und Schlösser wurden systematisch zerstört (s. https://de.wikipedia.org/wiki/SMAD-Befehl_Nr._209) und selbst Kirchen wurden - wie z.B. in Leipzig und Magdeburg - rigoros den Erdboden gleich gemacht. Darüber hinaus wurden ganze Quartiere am Mauerstreifen in Berlin abgeräumt 

1960-1975 Abrisswahn im Zeichen des Automobils
1959 verfasst Hans Bernhard Reichow unter dem Titel „Die autogerechte Stadt. Ein Weg aus dem Verkehrs-Chaos“ ein radikales Manifest für den „verkehrsgerechten“ Städtebau der 60iger Jahre. Es kam in diesem Zeitgeist zu weiteren unfassbaren Eingriffen ins Stadtbild – diesmal um für funktionstrennende Verkehrs-Schneisen in den Städten zu sorgen. Radikal werden Städte wie Kassel, Hamburg und Hannover als "autogerechte Städte" umgebaut. In einem wahren Abrisswahn wurden in den 60iger Jahren auch die letzten aufbaufähigen Nachkriegsruinen für kantig-moderne Architekturentwürfe geopfert: So verschwanden z.B. in Frankfurt/M. 1960 das Jugendstil-Juwel Schumann-Theater und die Jugendstilfassade des Schauspielhauses unter der Abrissbirne. In Stuttgart wurde das historisch wichtige Kaufhaus Schocken abgerissen. Besonders für maßstabssprengende Kaufhäuser, Banken und öffentliche Gebäude wurden ganze Altstadtquartiere in den Innenstädten weggerissen. Geschliffen wurden zudem u.a. Historismus-Hotelbauten und Gaststätten, öffentliche Gebäude wie gründerzeitliche Schulen, Krankenhäuser und Gerichtsgebäude sowie Kino- und Theaterbauten. Auch viele Wohnbauten - teilweise Baudenkmäler - aus der Gründerzeit wurden nach dem Krieg geopfert, weil sie ihre ursprüngliche städtebauliche Einbindung verloren hatten. 1964 wird die Charta von Venedig veröffentlicht - der wohl weitverbreiteste Text zum Umgang mit Denkmälern und Rekonstruktionen. 

Publizistischer Aufschrei und Kahlschlagsanierungen
Erste publizistische Aufschreie gegen die Stadtzerstörung gab es 1956 durch Max Frisch und 1961 durch Jane Jacobs "The Death and Life of Great American Cities" (Tod und Leben großer amerikanischer Städte, Übersetzung von Eva Gärtner 1963, Auslöser waren die Flächensanierungen durch Robert Moses in New York), und wenige Jahre später in Deutschland durch den Publizisten Wolf Jobst Siedler, 1964 mit dem Buch "Die gemordete Stadt" und Alexander Mitscherlich mit "Die Unwirtlichkeit unserer Städte. Anstiftung zum Unfrieden", 1965. Mit Flächen- bzw. Kahlschlagsanierungen wurden in den 60iger und 70iger viele Altstädte zerstört, wie z. B. das Altstadtviertel Gänsberg in Fürth.

Doch trotz aller Kritik - bis Mitte der 70iger Jahren verschlangen weiterhin die Bauten und Straßen der Nachkriegsmoderne die historisch-fragmentierten Innenstädte in Deutschland. Besonders extrem waren die zu dieser Zeit geplanten Massenabrisse in Berlin die die Beseitigung von 430.000 ! Wohnungen in Betracht sah. Am 18.März 1963 wurde das erste Berliner Stadterneuerungsprogramm verkündet: Insbesondere die Altbauten in Neukölln und Wedding sollten mit Fördermillionen aus Bonn beseitigt werden. Bis 1965 wurden bereits 8.000 Wohnungen platt gemacht (s. dazu auch Artikel "Die Sanierung im Wedding" bei Berlinstreet http://www.berlinstreet.de/ackerstrasse/acker22). Das Brunnenviertel nördlich der Bernauer Straße bis zum Gesundbrunnen wurde im Rahmen einer Kahlschlagsanierung bis Ende der siebziger Jahre fast völlig abgeräumt. Zurück blieb eine luftig bebaute, verödete Stadtlandschaft mit Nachkriegsmietskasernen. Darüber hinaus gab es noch das "Sanierungsgebiet" Charlottenburg (Klausenerplatz), Schöneberg (Bülowstraße) und Kreuzberg (Kottbusser Tor). Berlin hatte zudem auf Grund der Wohnungsnot eine staatlich regulierte Miete eingeführt - doch diese war so niedrig, dass keine Modernisierungsmaßnahmen umgesetzt werden konnten. In Kreuzberg gab es Verfall und Massen-Abrisse (Wassertorplatz, Kottbusser Tor etc.) darüber hinaus utopische "Verkehrsschneisenpläne". Aus Protest gegen die bevorstehenden Massenabrisse bildete sich die West-Berliner Hausbesetzerszene und es konnten so - bis in die achtizger Jahre hinein - einige Altbauten vor dem Abriss gerettet bzw. Instandgesetzt (ab 1979 "Instandbesetzungen" im SO36) werden.

Häuserkampf in Frankfurt am Main, Bürgerproteste und das Städtebauförderungsgesetz
Nicht weniger extrem: die spekulationsbedingten Massen-Abrisse historischer Villenbauten im Frankfurter Westend, die 1970-74 zu Hausbesetzungen und zum "Frankfurter Häuserkampf" führten. Auch für das Bremer "Viertel" am Stein- und Ostertor wurde von dem damaligen Planern ein wahnwitziger Plan entworfen: Eine 120m breite Autoschneise - gesäumt mit Hochhausbauten - sollte entlang der historischen Mozartstraße führen. Nur durch Bürgerproteste konnten die Trassen-Pläne 1973 endgültig gestoppt werden. In Hamburg gab es schon Mitte der 60iger Jahre kaum noch Altbaubestand. Nach Masenabrissen in St. Pauli-Süd, St. Georg, im Gängeviertel und in Altona-Altstadt, sollte auch das fabrikgesäumte Ottensen modern umgeformt werden - dank Bürgerproteste wurden die Pläne gestoppt. Ein Dank gebührt auch dem Mäzen Alfred Toepfer - er ermöglichte die Rekonstruktion großbürgerlicher Wohnhäuser rund um die Peterstraße in Hamburg. Diese Häuser standen ursprünglich an verschiedenen Stellen der Altstadt und wurden zu einer historischen Traditionsinsel 1966-1982 - wenn auch an falscher Stelle - zusammengefügt (s. auch Carl-Toepfer-Stiftung). Nach Einführung des Städtebauförderungsgesetz 1971 (zuvor Fördererung in Modellstädten seit 1969) wurden bis 1990 zumindestens viele Stadtkerne in Deutschland saniert (s. auch Wikipedia-Artikel "Städtebauförderung"). Auch in der ehemaligen DDR gab es zunehmend auch Sanierungsprogramme - wie z.B. in Bautzen in den Jahren 1972-75 und mit der Sanierung der Traditionsinsel rund um die Scharrenstraße 1975/76 in Berlin. 1974 schuf die sozialliberale Koalition mit dem "Gesetz zur Regelung der Miethöhe" ein Gesetz gegen Mietwucher und begrenzte somit das Wirken von Immobilienspekulanten wie z. B. Kaußen in Köln

1975-1988 Aufbruch in den Denkmalschutz
Anfang der siebziger Jahre wurde der Abrisswahnsinn der 60iger Jahre unvermindert weiter geführt. In historische Stadtkerne wurden unmaßstäbliche Betonkästen für neue Kaufhäuser, Banken und Rathäuser eingefügt. Erst der dem Autozeitgeist entgegentretende Schock der Oelkrise 1973 und städebauliche Impulse von außen, 1975 ruft die Europäische Gemeinschaft das „Europäische Denkmalschutzjahr“ aus, führten zu einem ersten Umdenken der Stadtplaner in Deutschland. So werden ab Mitte der siebziger Jahre viele vormals vernachlässigte Altbauquartiere und historische Dorfkerne behutsam saniert.

Statt Zeilen- und Hochhausbau wird mit dem Block 270 (Bauzeit 1974-77) von Kleihues, erstmals nach dem Zweiten Weltkrieg wieder eine konsequente Blockrandbebauung in Berlin verwirklicht. Der abrissgefährdete Martin-Gropius-Bau an der Berliner Mauer wird 1978 durch bürgerliches Engagement endlich wieder aufgebaut. Und mit der IBA 1984 in Berlin (1979-1987 "Kritische Rekonstruktion", Kleihues u. 1979-1985 "Behutsame Stadterneuerung", Hämer u.a. mit der Würdigung der "Kreuzberger Mischung" aus Wohnen und Arbeiten) gibt es eine Bauausstellung für stadtgerechtes Bauen in Berlin.

In Frankfurt/M. wird 1981 die Alte Oper und die Ostzeile (Samstagsberg) auf dem Römer (1981-1986) und in Hildesheim das Knochenhaueramtshaus (1986) wieder errichtet. 1986 scheitert nur knapp ein Bürgerbegehren in Mannheim für die Rekonstruktion des Alten Stadthauses. Bundesweit entstehen immer mehr Bauten im Zuge einer "postmodernen" kritischen Rekonstruktion und nehmen dabei auch historische Bauzitate in den Neubauten auf. Doch der Zerstörungswahn ist in Deutschland nicht gänzlich gestoppt: Vor dem Abriss der historischen Schokoladenfabrik Stollwerck kommt es ab 1980 zu Protesten und Besetzungen engagierter Kölner Bürger. Und auch die geplante Tilgung der gründerzeitlichen Bebauung an der Hamburger Hafenstraße führten ab 1981 zu Protesten und Besetzungen. Trotz Protesten wird 1988 ein großer Teil des historischen Floratheaters - der denkmalgeschützte Crystallpalast von 1890 abgerissen. Die "Rote Flora" wird seitdem als autonomes Zentrum besetzt.

Städtebaupolitik in der ex-DDR
Ein Kapitel für sich stellt die Aufbau- und Abrisspolitik in der ehemaligen DDR dar: Während viele Gebäude behutsam nach dem Krieg restauriert wurden, gab es auf der anderen Seite eine rigorose Verwahrlosung von historischen Stadtkernen zugunsten von modernen Plattensiedlungen an den Stadträndern. Die Äußere Neustadt in Dresden konnte nur Aufgrund von Bürgerprotesten Ende der achtziger Jahren vor dem Abriss gerettet werden. Doch Mitte der achtziger Jahre kommt es auch in der ehemaligen DDR zu vermehrten Rückgriffen auf die Wiederherstellung historische Stadtgefüge - so wird 1985 die aufwendig wieder aufgebaute Semperoper in Dresden wiedereröffnet und es beginnt die Wiederherstellung des zerstörten Dredner Residenzschlosses. 1987 wird das Nikolaiviertel und damit ein Stück Altstadt - zur 750-Jahrfeier in Berlin wieder aufgebaut und die gründerzeitliche Husemannstraße im Prenzlauer Berg als Vorzeigeobjekt aufwändig saniert.

1989-bis heute: Alte Stadtbilder in einer globalen Welt
Die Epoche der jahrzehntelangen Stadtzerstörungen führt nach dem Mauerfall 1989 in ganz Deutschland zu einer besonderen Zuwendung zum Althergebrachten und zum traditionellen Bauen (u.a. Hotel Adlon, Berlin - Patzschke 1997) und zum Bestandsschutz (s. z.B. die Konversion des Zeiseareals in Hamburg-Ottensen 1989). Für einige Innenstädte in den neuen Bundesländern kam der Mauerfall in letzter Minute - vieles war vom endgültigen Verfall bedroht und ganze Quartiere wie z.B. im Prenzlauer Berg in Berlin, rund um die Biedermannstraße in Leipzig-Connewitz, die Äußere Neustadt in Dresden und das Andreasviertel in Erfurt uvm. standen auf der Abrissliste. 1991-2005 wurden 162 Städte in den neuen Bundesländern mit dem Programm "Städtebaulicher Denkmalschutz" gefördert. Auch die Menschen vor Ort intensivierten in Ost- und West ihr Engagement für den Erhalt historischer Städte: 1996 stimmten, im bisher einzigen Nürnberger Bürgerentscheid, die Bürger gegen die modernistischen Neubaupläne mit Jahn-Entwürfen am Augustinerhof. In Berlin - in dem es viele, traditionell bauende Architekten gibt - gab es zunächst den Berliner Architekturstreit (Lampugnani, 1993). Später setzte der Senatsbaudirektor Stimmann im „Planwerk Innenstadt“ eine kontextbezogene Stadtplanung mit kritischen Rekonstruktionen durch. Nach langer Diskussion stimmt im Juli 2002 der Bundestag sogar für einen unmittelbaren Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses als Humboldt Forum (Fertigstellung 2020) und 2005 wurde die wiederauferstandene Frauenkirche in Dresden geweiht.

Doch nur wenige Jahre später werden die bundesdeutschen Städte von einer erneuten Abrisswelle erfasst. Im Zeichen der Globalisierung werden weltweit die Städte mit austauschbarer „Investorenarchitektur“ überzogen und immer mehr überdimensionierte Einkaufscenter fressen sich im Zuge einer "modernen Gründerzeit" selbst in historische Stadtzentren hinein. Zudem werden in ganz Deutschland zunehmend viele historische Fassaden durch zweifelhafte Wärmedämmungsmaßnahmen zerstört. Doch es gibt auch einen Lichtblick: 2007 wird die Charta von Leipzig von den für Stadtentwicklung zuständigen EU-Ministern verabschiedet. Darin wird ein Leitbild zur "Renaissance der Städte" verfasst - die 1933 verfasste "Charta von Athen" mit dem Leitbild der "funktionalen Stadt" ist damit eigentlich überholt.

Stadtumbau und interationaler Stil
Ende des 2000er Jahrzehnts formiert sich, unterstützt von den Vernetzungsmöglichkeiten digitaler Medien, ein breiter bürgerlicher Protest gegen den abrisswütigen Stadtumbau in den schrupfenden Städten der neuen Bundesländer und gegen stadtbildunverträgliche Neubauprojekte des wiederbelebten "Internationalen Stils" in ganz Deutschland. So wurde erfolgreich gegen die Abrisspläne des historischen Gängeviertels in Hamburg protestiert. Doch nicht immer ist der Protest erfolgreich: So scheiterte 2011 in Schweinfurt ein Bürgerbegehren gegen den Abriss des im Bauhaus-Stil erbauten "Alten städtischen Krankenhauses" und auch die Magdeburger Bürger stimmten in einem Bürgerentscheid gegen den Wiederaufbau der Ulrichskirche in Magedeburg. Gleichzeitig gibt es, nachdem bereits Braunschweig seine Schlossfassade und Hildesheim seinen "umgestülpten Zuckerhut" erhalten hat, auch weitere erfreuliche Wiederaufbau-Aktivitäten. So wurde das Postdamer Stadtschloss und das Schloss Herrenhausen in Hannover wiedererrichtet und auch das Palais Thurn und Taxis in Frankfurt/M. ist wiederauferstanden. Des Weiteren sind der Teilaufbau der Altstadt in Frankfurt/Main und die Rekonstruktion der Alten Post in Potsdam in konkreter Planung/Umsetzung. Zudem können - insbesondere in Berlin - eine Reihe von Architekten für den Anfang der neunziger Jahre in den USA aufgekommenen "New Urbanism" gewonnen werden - einem traditionellen Baustil, der im Einklang mit der urbanen Stadt steht und auch erfolgreich in Großbritannien und den Niederlanden etabliert wurde.

Spätestens mit der Ausstellung "Geschichte der Rekonstruktion - Konstruktion der Geschichte" 2010 in der Pinothek der Moderne in München wird das Thema Rekonstruktion in Deutschland neu bewertet: Rekonstruieren ist wieder "erlaubt", denn die Geschichte hat gezeigt, dass es schon immer - in allen Kulturen der Welt - Rekonstruktionen gab.

Erreichtes und Ausblick
Auch der theoretische Unterbau für die Erhaltung und Errichtung lebenswerter Städte wurde 2010 in die Wege geleitet: Auf der "Konferenz zur Schönheit und Lebensfähigkeit der Stadt" in Düsseldorf, wurden "10 GRUNDSÄTZE ZUR STADTBAUKUNST HEUTE" (s. 10 Grundsätze) verabschiedet. Für die Zukunft stehen viele wünschenswerte Rekonstruktionen (u.a. Pellerhaus in Nürnberg, Altes Rathaus in Halle) verlorener Baukultur an, für die sich Initiativen vor Ort stark machen.

Wohnungsnot und Sanierungsnotstand
Die Innenstädte sind indessen so attraktiv wie nie - die Einwohnerzahlen von Berlin, Frankfurt/M., München, Hamburg etc. wachsen. Es herrscht Wohnungsnot - neu gebaut wird hauptsächlich im Luxussegment - hochwertig und teuer. Insgesamt hat sich dadurch die Bauqualität verbessert, aber auch für bezahlbaren Wohnraum sollten die Architekten und Bauherren zukünftig einen hohen gestalterischen Maßstab anlegen. Besonders Luxus-Wohntürme boomen in den Städten und bedrohen das Stadtbild. Und der Stadtumbau Ost - bei dem durch staatliche Abrissprämien schon über 100.000 historische Bauten z. B. in Chemnitz und Leipzig vernichtet wurden - geht leider vielerorts unverdrossen weiter. Statt, bis die Stadtbevölkerung wieder zunimmt, ein Konzept der Zwischennutzung (der "waiting city") zu verfolgen, werden - unterstützt durch staatliche Abrissprämien - immer noch ganze Quartiere weggerissen.

Von den aktuell rund 1,3 Millionen Kulturdenkmälern in Deutschland sind ein Drittel sanierungsbedürftig oder sogar in ihrem Bestand gefährdet. Es gibt also in Sachen Schutz der Stadtbaukultur noch viel zu tun in Deutschland. Möchte man den Bestandsschutz in Deutschland wirklich ernst nehmen, so dürfte kein Haus, dass älter als 100 Jahre alt ist mehr abreissen und auch Fassadenverunstaltungen, z. B. durch Wärmedämmmaßnahmen müssten für diese Altbauten verboten werden. Doch nicht nur die alten Häuser sind gefährdet: 2012 wurden in Berlin 8.000 alte Gaslaternen der 50iger Jahre ausgetauscht. Von 1999 bis 2010 verschwanden zudem 300.000 Quadratmeter Kopfsteinpflasterstraßen unter Berliner Asphalt. So stirbt jeden Tag ein Stück altes Berlin. Nur durch bürgerschaftliche Engagement in Vereinen und Initiativen wie dem bundesweiten Verein "Stadtbild Deutschland" kann die weitere Zerstörung der historischen Städte verhindert werden.

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Literaturtipps:
- Dehio Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler, ab 1905
Kriegszerstörung
- "Kriegsschicksale Deutscher Architektur" (behandelt "West-Deutschland").
- "Schicksale Deutscher Baudenkmäler im 2. Weltkrieg" (behandelt die ehem. DDR).
- "A blessing in Disguise" - War and Town Planning in Europe 1940 –1945"
- "Luftkrieg und Literatur", Winfried G. Sebald, 2002.
- "Der Brand - Deutschland im Bombenkrieg 1940-1945", Jörg Friedrich.
- "Träume in Trümmern", Stadtplanung 1940-50, Werner Durth, Niels Gutschow
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Standardwerke zur frühen Kritik an Stadtzerstörung 
- Jane Jacobs: The Death and Life of Great American Cities 1961 / Auf Deutsch: Tod und Leben großer amerikanischer Städte, 1963
- Wolf Jobst Siedler. "Die gemordete Stadt. Abgesang auf Putte und Straße, Platz und Baum", Siedler Verlag, 1964/1993.
- Alexander Mitscherlich mit "Die Unwirtlichkeit unserer Städte. Anstiftung zum Unfrieden", 1965
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Stadt- und Architekturkritik
- "Ein romantischer Rationalist. Architekt und Stadtplaner", Rob Krier, Hrsg. Ursula Kleefisch- Jobst, 2005.
- "Urbanität und Dichte", Wolfgang Sonne
- "Glück und Architektur", Alain de Botton, 2010.
- F. Bielka, Chr. Beck (Hrsg.): Verantwortung für die Stadt. Beiträge für ein neues Miteinander, 2012.
- "Zone Heimat - Altstadt im modernen Städtebau", Gerhard Vinken, 2010.
- „Zur Alltagstauglichkeit unserer Städte“, Andreas Feldtkeller.
- „Die Stadt und das Auto“, Gert Kähler.
- "The Rise of the Creative Class", Richard Florida, 2002.
- "Triumph of the City", Ed Glaeser, 2011.
- "Städte für Menschen", Jan Gehl
- "Die Stadt im 20. Jahrhundert", V.M. Lampugnani
- Wider das heutige Bauen: Und wir nennen diesen Schrott auch noch schön, FAZ, Martin Mosebach
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Stadtbaukunst
- Christoph Mäckler: Stadtbaukunst - Dortmunder Vorträge 1, Niggli Verlag, 2009. 
- Der Wert stilgeprägter Architektur, Mader/Thießen
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Leipzig
- 5 Jahre LEIPZIG CHARTA - Integrierte Stadtentwicklung als Erfolgsbedingung einer nachhaltigen Stadt, Brosch., 2012.
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Berlin
- „Ideen für Berlin“, Floran Mausbach.
- "Kreuzberg 1968-2013. Abbruch, Aufbruch, Umbruch", Dieter Kramer.
- "Armutszeugnisse - West Berlin vor der Stadterneuerung in den sechziger Jahren", Heinrich Kuhn
- "Stadterneuerung in Berlin - Sanierung und Zerstörung vor und neben der IBA".
- "Berlin Nordost 1972-1990 - Am Rande der stehenden Zeit", Manfred Paul (mit Bildern Prenzl.  Berg)
- "Schnörkellos: Die Umgestaltung von Bauten des Historismus im Berlin des 20. Jahrhunderts", Hans Georg Hiller von Gaertingen, 2011.
- "Städtebau in Berlin", Harald Bodenschatz
- "Abgerissen! Verschwundene Bauwerke in Berlin", Arnt Cobbers
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Hamburg
- "Ein seltsam glücklicher Augenblick". Zerstörung u. Städtebau in Hamburg 1842 u. 1943
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Lübeck
- "Heimat in Trümmern" - Städtebau in Lübeck 1942-1959
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Frankfurt/M.
- J. Roth: „z.B. Frankfurt – Die Zerstörung der Stadt“
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Seit Jahrhunderten bereits kennt die Baukultur Rekonstruktionen - empfohlen seien dazu folgende Werke:
- Winfried Nerdinger: "Geschichte der Rekonstruktion - Konstruktion der Geschichte", 2010.
- Michael Braum: Rekonstruktion in Deutschland: Positionen zu einem umstrittenen Thema, 2009.
- Denkmalpflege statt Attrappenkult: Gegen die Rekonstruktion von Baudenkmälern - eine Anthologie, 2010.
- Neue Stadtbaukultur: Jahrbücher von Stadtbild Deutschland
- Rekonstruktion in Deutschland, Bundesstiftung Baukultur, 2009.
- Philipp Maaß, Die moderne Rekonstruktion, 2015.
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Stadtbaugeschichte: https://de.wikipedia.org/wiki/Stadtbaugeschichte
Weitere Literaturtipps siehe auch beim Institut der Stadtbaukunst, Berlin: http://www.stadtbaukunst.org/deutsch/literatur/theorie/index.html
Alle Angaben ohne Gewähr.